Alpines Trailrunning - Wiener Höhenweg an einem Tag
, Peter2020 war nicht nur für die Welt, sondern auch für uns ein Jahr mit vielen Ups and Downs. Trailrunningmäßig hatte ich mich zu zwei, für mich fordernden, Events angemeldet. Das Eine fiel Corona zum Opfer, das Andere (der Kreuzecktrail) wurde Ende August, nur 5 Tage vor dem Start, aufgrund der schlechten Wettervorhersage abgesagt. Mein Kletterunfall am Eisenerzer Pfaffenstein am 21. Mai, bei dem ich mir das Sustentaculum Tali gebrochen hatte, und das Ganze im Zuge einer Operation wieder verschraubt werden musste, bescherte mir einen sportlichen Rückschlag. Schon einige Tage nach dem Unfall beschloss ich aber, an dem Ziel, Ende August beim Kreuzecktrail zu starten, festzuhalten. Selbst wenn es die Physiotherapeutin meines Vertrauens (Barbara) für unwahrscheinlich hielt, dass das möglich sein würde.
Wie erwähnt wurde dann der Kreuzecktrail am 25. August abgesagt. Zum Glück hatte ich schon einen anderen, privaten, Trailrunning Plan im Kopf. Ich wollte versuchen, den Wiener Höhenweg, eine Hochgebirgs-Etappenwanderung, die normalerweise in fünf bis sechs Tagesetappen begangen wird, an einem Tag zu bewältigen. Vom Iselsberg nahe Lienz, durch die Schobergruppe bis zum Glocknerhaus an der Großglockner Hochalpenstraße. Es warten rund 48 Kilometer und 4000 Höhenmeter Aufstieg in (hoch)alpinem Gelände auf den ambitionierten Trailrunner. Die durchschnittliche Höhenlage liegt bei 2500 Metern und man hat zwei Übergänge mit über 2900 Metern zu bewältigen.
Die große Unsicherheit - würde mein Fuß nur 98 Tage nach dem Unfall einer solchen Belastung standhalten und würde das eingeschränkte Training (den Gips bekam ich erst am 2. Juli wieder ab) ausreichen, um diese Tour zu bewältigen.
Sehr kurzfristig konnte ich ein Familienzimmer in der Pension Haus Rupitsch organisieren. So machten wir uns am 26. August auf die Reise auf den Iselsberg. Ich wollte am nächsten Tag sehr früh starten. Barbara und Sophie würden sich den Tag mit Wandern und Sightseeing an der Großglockner Hochalpenstraße vertreiben und mich dann (hoffentlich) beim Glocknerhaus in Empfang nehmen.
Auf den Rat unserer Gastgeber hatten Barbara und ich uns noch die ersten 400 Höhenmeter des Wanderweges Richtung Luggeralm angeschaut. Es gibt hier sehr viel Schneebruch von dem extremen Wintereinbruch im letzten Jahr, und sie waren sich nicht sicher, ob der Wanderweg schon wieder frei wäre.
Wiener Höhenweg an einem Tag, 48 Kilometer, 4050 Hm+ und 3100 Hm-
Eigentlich wollte ich um drei Uhr morgens aufstehen, doch um etwa halb zwei konnte ich ohnehin nicht mehr schlafen. So beschloss ich, mich ins Trailrunning Outfit zu werfen und mich einfach etwas früher auf den Weg zu machen. Die Wirtin vom Haus Rupitsch hatte mir ein ausgiebiges Frühstück bereitgestellt. Von der Pension bis zum markanten Grenzstein zwischen Kärnten und Tirol, direkt an der Straße auf der Passhöhe Iselsberg, dem 'Start' der Tour, sind es nur ein paar hundert Meter. Ich versuche noch, ein paar Fotos zu schießen und um 02:33 drücke ich den Startknopf der Suunto und es ging los in das Abenteuer Wiener Höhenweg an einem Tag.
Im Schein der Stirnlampe folgte ich dem Wanderweg bis zur Luggeralm, den kannte ich von der Erkundungstour am Vorabend schon. Es waren nur etwa 200 Meter auf denen der Weg durch umgestürzte Bäume behindert war und Barbara und ich hatten dort ein paar Markierungen angebracht, dass ich den Weg durch diese Passage auch in der Nacht leicht finden konnte. Von der Luggeralm geht's über Wiesenwege bis auf einen Forstweg auf Höhe der Straganzalm. Nach einer Stunde erreichte ich die Abzweigung zur Winklerner Hütte, diese ließ ich aber 'rechts' liegen und es ging weiter zur Raneralm-Hütte. Nach der Hütte führt der Weg längere Zeit über Kuhweiden. Schon von weitem leuchteten mir die Augen der Kühe entgegen. Diese hatten es sich natürlich genau auf dem Weg gemütlich gemacht. Da die Tiere eigentlich keine Anstalten machten, sich zu bewegen, umging ich sie lieber auf den Wiesen oberhalb des Weges. Es galt dort auf den nächsten Kilometern noch einige schlafende Kuhherden zu umgehen, was mit der Zeit schon fast etwas lästig wurde. Der Weg ist gut markiert und auch in der Dunkelheit gut zu finden. Etwa im Bereich der Iselsberger Alm ließ ich dann aber die letzten Muli-Kuhs hinter mir und der Anstieg auf die Seescharte begann. Mit zunehmender Höhe wurde das Gelände alpiner. Noch in völliger Dunkelheit erreichte ich das Kreuz auf der Seescharte, die schon mal auf 2600 Metern liegt. Der Abstieg zum Wangenitzsee ist teilweise sehr technisch; eine Passage ist mit einem Drahtseil versichert. Langsam begann es zu dämmern.
Wieder ließ ich die Hütte 'rechts' liegen und machte mich gleich an den Aufstieg zur Kreuzseescharte. Ein Wanderer, der die Nacht auf der Wangenitzseehütte verbracht hat, macht ein paar Sonnenaufgangsfotos und fragt mich, ob ich sein Kumpel sei, der in der Früh auch vom Iselsberg kommen sollte - ich denke auf ihn hat er noch etwas gewartet. Handy-Empfang gibt es in diesem Bereich der Tour keinen. Mit Barbara hatte ich vereinbart, ihr nach Möglichkeit immer eine SMS zu senden, wenn ich bei einer der Hütten vorbeikomme, hier also nicht. Der Aufstieg zur Scharte war recht kurzweilig und es wurde inzwischen hell. Die Stirnlampe konnte ich jetzt ausschalten. Auf der Kreuzseescharte (2810m) war es Zeit für ein erstes Energy-Gel. Von der Scharte konnte ich einen Blick auf den Weiterweg werfen. Für die nächste Zeit quert man in ständigem Auf und Ab, steile alpine Kare auf teils anspruchsvollen Trails. Als nächstes stand die niedere Gradenscharte (2796m) zur Überquerung an. Hier lachte mir erstmals die Sonne ins Gesicht. Nach der eigentlichen Scharte galt es ein Plateau mit vielen kleinen Seen zu überqueren. Ich musste etwas suchen, um hier den Weg zu finden. Das gleich galt für den folgenden Abstieg zur Adolf-Noßberger-Hütte. Hier bewegt man sich auf von früheren Gletschern abgeschliffenen Felsplatten, und man muss sehr genau nach den Markierungen Ausschau halten. Nach 5 1/2 Stunden erreichte ich die Adolf-Noßberger-Hütte. Die anderen Gäste waren gerade mit dem Frühstück fertig. Es war auch für mich Zeit, um die Flüssigkeitsreserven aufzufüllen und für ein kleines zweites Frühstück aus dem Trailrunning-Rucksack.
Nun wartete mit der Überschreitung der Hornscharte (2958m) der höchste und anspruchsvollste Abschnitt der Tour. Was ich mir auf der Karte bzw. im Höhenprofil nicht so genau angeschaut hatte - man muss von der Adolf-Noßberger-Hütte nochmal 180 Höhenmeter absteigen, um den Aufstieg in die Hornscharte beginnen zu können. Es warten 650 steile Höhenmeter bis in die Scharte. Beim Downhill überholte ich ein paar Wanderer, die gerade bei der Hütte aufgebrochen waren. Etwas schräg beäugt wurde ich schon, als ich im Trailrunning-Outfit und im Laufschritt bei den Wanderern vorbei zog - so nach dem Motto 'der hat ja gar keine Zeit, die Natur zu genießen'. Der Weg auf die Hornscharte beginnt mit einem schmalen Trail, der sich im Zickzack das Kar hochschlängelt. Auf etwa 2500 Metern Seehöhe quert man auf die orogr. linke Seite des Kares und man kann einen genaueren Blick auf die Scharte werfen. Ein Weg ist in dem Geröllfeld unter, und in der Scharte vorerst nicht zu sehen. Bei näherer Betrachtung ist er aber dann dank der guten Markierung doch zu finden. Etwa 150 Höhenmeter unter der Scharte beginnt am orogr. linken Rand der Rinne zur Scharte die Drahtseilversicherung. Früher im Jahr, wenn noch mehr Schnee liegt, kann es hier mit den Laufschuhen spannend werden. An den Drahtseilen entlang geht es steil in die Hornscharte, welche neben dem Weiterweg auch einen ersten Blick auf den Großglockner freigibt.
Der Abstieg von der Scharte ist auf den ersten etwa 200 Höhenmetern ebenfalls mit Drahtseilen versichert. Die sehen recht neu aus, aber vor allem liegen relativ viele lose Steine herum. Hier ist Vorsicht geboten (auch für den Fall, dass andere Personen weiter unten unterwegs sind!). Die nächste Hütte, die Elberfelderhütte, war auch schon in Sicht. Hat man das Geröll endlich hinter sich, führt ein recht flowiger Almtrail zur Hütte. Bis hierher war ich knapp acht Stunden unterwegs. Ich gönnte mir einen Topfenstrudel und zwei große Wasser mit Holundersaft. Ich unterhielt mich auch sehr nett mit einem jungen Mann, ich glaub dem Sohn des Hüttewirtes, der die Tour auch mal machen möchte. Dann hieß es aber aufbrechen.
Der letzte lange homogene Anstieg wartete. Es geht durch das Tramerbachtal auf den Kesselkeessattel (2912m). Zum Glück ist dieser Anstieg nicht mehr so steil wie der vorige auf die Hornscharte. Gute 600 Höhenmeter sind es trotzdem. Langsam doch etwas erschöpft erreichte ich den Sattel, auf dem auch die Gernot-Röhr-Biwakschachtel steht. Hatte ich bis hierher auf der ganzen Strecke vielleicht 10 Leute getroffen, wimmelte es hier förmlich von Wandern und Bergsteigern. Viele bestiegen das Böse Weibl vom Lucknerhaus auf dieser Strecke. Es wurde auch langsam Zeit, die Jacke anzuziehen. Bis hierher waren aufgrund der perfekten Temperatur und Wetterlage, Trailrunning Shirt und Ärmlinge ausreichend gewesen. Jetzt frischte der Wind merklich auf. Wieder ist der erste Teil des Abstiegs vom Sattel sehr technisch, auch zwei Schneefelder sind hier zu queren. Danach ging es auf einen flowigeren Trail Richtung Peischlachtörl. Da ich die Karte nicht mehr so im Kopf hatte, dachte ich, dass hier schon irgendwo die Glorerhütte stehen müsste. Am Törl angekommen, zeigte ein Blick auf die Karte, dass ich doch noch um das Kastenengg herum müsste. Stetig leicht ansteigend ging es in einem weiten Bogen um den Hügel herum. Zuerst auf einem schönen Trail, aber dann recht lang über ein unangenehmes, blockiges Geröllfeld. Das ging mir zu dem Zeitpunkt schon ziemlich auf die Nerven. Doch dann irgendwann, endlich, die Glorerhütte tauchte auf. Hier gönnte ich mir eine Frittatensuppe und ein Cola. Auch telefonierte ich mit kurz mit Barbara, und informierte sie, dass ich wohl etwa um 16 Uhr beim Glocknerhaus eintreffen würde.
Nächstes Ziel - Salmhütte - sah auf der Karte nicht weit aus. Über einen breiten Trail und später über liebliche Almwiesenböden ging es dahin - die Hütte schon in Sicht. Ja bis zu einem Wegweiser 'Salmhütte über versicherten Steig' bzw. 'Salmhütte einfacher Weg'. Gefühlt hätte ich mir den einfacheren Weg gewünscht, aber Karte und GPS Track sagten etwas anderes. Ich wusste, im Nachhinein wäre ich darüber unglücklich gewesen, vom originalen 'Wiener Höhenweg' abzuweichen. Der versicherte Steig war dann eh ganz lustig. Nach diesem ging es auf einfachen Trails in einem weiten Bogen, unter der Proftscharte vorbei, zur Salmhütte. Ich wollte Barbara ein kleines Zielzeit-Update geben, aber es gab hier keinen Empfang.
Gute sieben Kilometer sind es von hier noch. Ich machte mich an den Weiterweg, der an der Südflanke von Schwertkopf und den Leiterköpfen leicht fallend dahingeht. Ich hoffte, dass es möglichst flach zur Stockerscharte (2442m) gehen würde, aber nix da, kurz vor der Scharte ging's nochmal ein Stück steil und felsig bergauf. An der Scharte angekommen sah ich zum Glocknerhaus hinunter - förmlich zum Greifen nahe. 500 Höhenmeter teils technisch anspruchsvoller Downhill und zuletzt 150 Höhenmeter Aufstieg warteten aber noch.
Aber dann, das Dach des Glocknerhaus war bereits in Sicht, kam mir meine Tochter Sophie bereits entgegengelaufen, umarmte mich, und Barbara wartete am 'Ziel-Geländer'. Ein sehr schöner und emotionaler Moment, nach dieser Tour so herzlich von seiner Familie empfangen zu werden. Da braucht's keine Urkunde und auch keine Finisher Medaille. Um 16:06 Uhr, also 13 Stunden und 33 Minuten nachdem ich beim Grenzstein am Iselsberg gestartet war, erreichte ich das Glocknerhaus - ein großes persönliches Abenteuer lag hinter mir.
Fazit
Mit dem Trailrun Wiener Höheweg an einem Tag konnte ich einen lang gehegten Plan, um nicht zusagen Traum, verwirklichen und auch ein persönliches Comeback für 'anspruchsvollere' Trailrunning Unternehmungen feiern - 98 Tage nach meinem Kletterunfall.
Je nach sportlichem Ehrgeiz und Leistungsvermögen kann man natürlich auch bei solchen Touren mehr oder weniger Gas geben. Es vielleicht sogar auf die Fastest Known Time (schnellste bekannte Zeit) anlegen. Die FKT für den Wiener Höhenweg steht aktuell mit beachtlichen 11 Stunden und 12 Minuten und 50 Sekunden zu buche. Gelaufen am 1. August 2020 von Daan Nieuwenhuis.
Jedenfalls braucht es kein bekanntes Event, keine große Organisation, kein Finsiher-Leiberl oder -Medaille um ein eindrückliches Trailrunning Abenteuer zu erleben - es reicht ein Traum und etwas Leidenschaft!
Das Abenteuer wartet vor der Tür!
Informationen und Hinweise
Trail Info - Strecken Eckdaten | |
---|---|
Aufstieg: | 4050 m |
Strecke: | 48 km |
Kilometerleistung: | 88 |
Anmerkung: | Der Wiener Höhenweg ist eine sehr einsame und alpine Route mit vielen lauftechnisch sehr anspruchsvollen Passagen. Über weite Strecken ist man allein unterwegs und es gibt OFT kein Netz für das Mobiltelefon. Es gibt zwar immer wieder Wanderwege in verschiedene Täler, die als Fluchtmöglichkeiten genutzt werden können, aber selbst diese sind meist lang. Man sollte sich dieser 'Ausgesetztheit' bewusst sein - auch beim Packen der Ausrüstung. Lange Bekleidung, Wasserdichte Jacke/Hose, Haube/Handschuhe, Verbandszeug sowie eine Stirnlampe sollten keinesfalls fehlen! Persönlich hatte ich auch einen leichten 1-Mann Biwaksack und eine elastische Sportbinde dabei. |
Infobox - Weiterführende Links | ||
---|---|---|
alpenvereinaktiv.at | Wiener Höhenweg auf alpenvereinaktiv.at | |
bergwelten.com | Artikel über den Wiener Höhenweg auf bergwelten.com | |
strassnig.at | Mehr Rad und Laufsport auf strassnig.at | |
Trailrunning auf strassnig.at | Trailrunning Streckenvorschläge auf strassnig.at |