Überschreitung der Aiguille d'Argentiere über den Fleche Rousse Grat
, Peter mit Ruth KrzmarschNach unserer erfolgreichen und sehr schönen Bergwoche in der Bernina und zwei Ruhetagen in Tösens (Oberinntal) war unser nächstes Ziel Chamonix Mt. Blanc - la capital du monde d'alpinisme - wie man sagt. Dort trafen wir Freunde, Carine und Andy Peisser, mit denen wir schon einige sehr schöne Bergabenteuer erlebt haben.
Aiguille d'Argentiere - Überschreitung l'Arret Fleche Rousse - Glacier du Milieu
Nachdem wir ein wenig mit unseren Freunden über die Tourenmöglichkeiten gesprochen hatten entschlossen wir uns, eine Hochtour auf die Aiguille d'Argentiere zu unternehmen. Dort sei die Überschreitung über den Fleche Rousse Grat (Ostsüdostgrat) eine sehr schöne Tour. Gesagt getan. Mit der Gds. Montets Seilbahn ging's rauf und anschließend über den Argentiere Gletscher hinunter bzw. hinüber zur Argentiere Hütte. Wir waren das erste Mal in diesem beeindruckenden Kessel, durch den sich der Argentiere Gletscher talauswärts wälzt. Umrahmt von Droites, Mont Dolent, Aig. d. Tour Noir, Aig. d'Argentier und schließlich der Aig. du Chardonnet suchten wir uns im strahlenden Sonnenschein den Weg über den Gletscher.
Nach einiger Zeit erreichten wir den Gletscherrand, packten unsere Steigeisen und das Seil wieder in den Rucksack und machten uns an den kurzen Aufstieg zur Hütte. Wir hatten Lager reserviert und konnten gleich mal unser Schlafgemach beziehen. Wie üblich bei Westalpentouren sollte es aber keine übertrieben lange Nacht werden. Unsere Freunde meinten zwar, dass die Tour nicht zu lang sei, dennoch beschlossen wir, um drei Uhr zu starten.
Schon in der Früh stellte sich heraus, dass heute nicht so hundertprozentig unser Tag sein sollte. Wir hatten nämlich das Täschchen mit unseren Stirnlampen und vor allem Ruths Kontaktlinsen in Chamonix vergessen. Nach kurzer Beratung entschlossen wir uns aber, dann doch aufzubrechen. Lichttechnisch mussten wir halt mit einem kleinen LED-Lämpchen auskommen. Dies sollte aber noch eines der kleineren Probleme an diesem Tag sein.
Der Weg von der Hütte zum Glacier des Amethystes und weiter Richtung Col du Tour Noir war recht gut zu finden, und am Gletscher selbst erwachten auch die uns gegenüberliegenden Berge im roten Licht der ersten Morgensonne zu wunderbarem Leben. Kurz vom dem Col zieht eine breite Rinne zu einem kleinen Sattel, von dort aus sollte der eigentliche Grat losgehen. Nach einer kleinen Rast auf besagtem Sattel machten wir uns auf den Weg, zuerst unschwierig über gestufte Felsen aufsteigend und danach kurz abkletternd, erreichten wir eine Scharte, in die wir nun auf der Westseite ein Stück absteigen mussten, dies war eine ungute Angelegenheit, da das Geröll und der feine Schotter unter jedem Schritt nachgaben und man Gefahr lief, mit dem ganzen Zeugs runter zu rutschen. Nach ca. 15 Metern ging es wieder in festen steileren Fels. So kletterten wir den Grat entlang bis zu einem steilen Aufschwung. Ich sah, dass auf der linken Seite eine Abseilschlinge hing, diese war aber meiner Ansicht nach schwierig zu erreichen, und so entschlossen wir uns, den Gendarmen den man mit dieser Abseilstelle umgehen konnte, zu überklettern. Klettertechnisch eine gute Idee, bietet der Gendarm doch interessante und schöne Kletterstellen, schätzungsweise im vierten Schwierigkeitsgrad. Lediglich kostete es etwas mehr Zeit. Hinter dem Gendarmen legt sich der Grat zurück und wir mussten linkshaltend absteigen, um auf das steile Schneefeld zu gelangen, welches man, benutzt man die Abseilstelle schon viel weiter unten, erreicht.
Als wir nun auch dieses Schneefeld hinter uns gelassen hatten und über eine kleine Rippe auf die Nordseite wechselten, sahen wir schon auf den Gipfel, und meinten, die Hauptschwierigkeiten hinter uns zu haben. Darin sollten wir uns aber schwer täuschen. Vor uns lag eine ca. 50 Meter lange Querung der Nordwand, leider bestand die nicht aus gut begehbarem Firn wie die zuvor erklommene Schneerinne, sondern aus Blankeis, was vor allem Ruth eine gehörige Portion Respekt einflößte.
So querte ich als Erster über das steile Eis, nach ca. 30 Metern richtete ich an Felsköpfeln und mit Friends einen Stand ein. Nun war Ruth aber doch etwas verunsichert, denn auf diesen 30 Metern war es mir nicht möglich, mehr als eine Eisschraube zu setzen. Also auch im Falle eines Sturzes im Nachstieg nicht unbedingt angenehm. So fixierte ich das Seil, kletterte zurück zu Ruth und richtete für Sie ein Seilgeländer ein, mit dem sie bis zu dem Stand queren konnte.
Aber selbst hier waren die Schwierigkeiten noch nicht vorbei, haben wir diese Stelle, doch noch recht gut entschärfen können, hatten lediglich wieder etwas Zeit verbraucht, war die nächste Seillänge, obwohl sie eher harmlos aussah, doch recht ungut zu begehen. Kaum Absicherungsmöglichkeiten und einige ungute Quergangmeter. Für Ruth war diese Länge wohl die Schwierigste der Tour, war sie doch sehr ausgesetzt und im Falle eines Sturzes sicher sehr unangenehm. Als sie meinen Stand auf einem kleinen Sattel kurz vor dem Gipfel erreichte war erst mal eine kleine Pause zur Beruhigung der Nerven angesagt. Glücklicherweise waren es bis auf den Gipfel vielleicht noch 50 Höhenmeter, und diese waren bald zurückgelegt. Inzwischen war es aber schon am frühen Nachmittag, und unsere Pläne, am selben Tag noch bis ins Tal abzusteigen legten wir bald ab und beschlossen, noch eine Nacht auf der Hütte zu bleiben. Aber soweit waren wir ja noch gar nicht.
Am Gipfel trafen wir auf eine Gruppe von drei Leuten, einer war an der Schulter verletzt, sie waren durch das Y-Couloir geklettert, welches im Sommer sehr Steinschlag-gefährdet ist, und einer hatte eben einen solchen Stein abbekommen. Da wir ihnen nicht helfen konnten und die Zeit schon etwas drängte machten wir uns gleich an den Abstieg, über den bis zu 50 Grad steilen Glacier du Milieu. Hier war nochmals vollste Konzentration gefordert, spürten wir doch schon etwas die Länge der Tour. Nach einiger Zeit des Abstiegs hörten wir plötzlich Hubschraubergeräusche über uns, anscheinend hatte die Gruppe mit dem Verletzten die Bergrettung alarmiert. Unsere Sorge war nun, dass unsere Freunde in Chamonix eventuell von einem Unglück auf der Aiguille d'Argentiere hören könnten und sich um uns sorgen könnten.
Zwei Personen der Gruppe wurden im unteren Teil des Gletschers vom Hubschrauber abgesetzt, der Verletzte wurde weggeflogen. Nach einiger Zeit erreichten wir ebenfalls den flacheren unteren Teil des Gletschers und nun lagen endgültig alle größeren Schwierigkeiten hinter uns.
Wir trafen gegen 18 Uhr auf der Hütte ein, eine ganz schön lange Tour, und versuchten nun, sofort unsere Freunde anzurufen, um Ihnen mitzuteilen, dass wir OK sind und erst am nächsten Tag ins Tal absteigen würden. So genossen wir noch eine Nacht auf der Argentiere Hütte und schliefen am nächsten Tag mal gemütlich aus, und machten uns danach auf den Weg ins Tal.